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Montag, 4. März 2013

Frequentistic ages makin' our time...

Kaktuxxe: "Chicalagazelle - 20th Anniversary Edition"
(5 CD Set, unpop-media 2013)


Kaktuxxe Autogrammkarte (Foto: Volker Augustin)


N
ach 2 Monaten absoluter Funkstille auf diesem Blog gibt es heute endlich was neues. Und zwar nicht weniger als die Erfüllung eines 20 Jahre alten persönlichen Wunschtraums: Die "De Luxe" Ausgabe der Chicalagazelle!  Denn vor mehr oder weniger 20 Jahren (am 5.2.1993) erschien dieses erste und einzige Album der Hanauer Punk/Artrock/Kraut/Fragmichnicht-Band
Kaktuxxe, welcher ich und meine Bandkollegen große Teile unsrer schönsten Jugendjahre schenkten. Und wie ich bereits vor 6 Jahren, als ich diese CD zum erstenmal vorstellte, schrieb: die erste "richtige" Band  im Leben ist wie die erste richtige Liebesbeziehung - und die süßen Erinnerungen daran behalten ihr Leben lang einen besonderen Stellenwert in der eigenen Erinnerung (die sich noch dazu mit dem Fortschreiten der Zeit immer mehr verklären!)... Zum 20 Jährigen Geburtstag dieser CD gibt es also hier und nun die historisch-kritische Fassung von "Chicalagazelle" - in Form eines 5 CD-Sets, das sich ausführlich mit den entscheidenden Entwicklungsstufen hin zum fertigen Album auseinandersetzt!

Die "Chicalagazelle - 20th Anniversary Edition" enthält nicht nur das (leicht aufgefrischte) Orginal Album, sondern zusätzlich je eine CD mit Outtakes/Rough Mixes, einer CD mit Demos und experimentellen Aufnahmen, die im selben Geiste wie das komplette Album entstanden (und sogar Songs präsentiert, die nie realisiert wurden!), einer CD mit Proberaum-Aufnahmen ("The Rehearsal Album'), die als Vorbereitung auf die 'Chicalagazelle'
Studio-Aufnahmen entstanden und (trotz ihrer leider grottigen Soundqualität) die euphorische Live-Energie der Kaktuxxe und die Vorfreude auf den anstehenden Studiotermin gut dokumentiert. Eine weitere CD enthält ein (beinahe) komplettes Live-Konzert der Kaktuxxe, das genau einen Tag nach den Studioaufnahmen stattfand und deshalb musikalisch sehr nah an den Album-Versionen herankommt. Der Herr Tape-Archivar präsentiert hier, alles andere als unstolz, das Ergebniss einer einjähriger Recherche im Labyrinth seiner unzähligen alten Magnetband-Kassetten! 



CD1: Chicalagazelle - The Original Album

 

  

Im März 1992 eingespielt,
aber erst im Februar 1993 erschienen: hier haben wir das Orginal Kaktuxxe Album vorliegen. Einige Worte darüber habe ich bereits in meinem Blogeintrag von 2007 verloren, da kann man ja nachlesen.
Hier haben wir das Album nun in einer behutsam digital aufgefrischten, neuen Version vorliegen. Ich halte besonders die Stilvielfalt und die Melodien unsrer kleinen angesägten Artrock-Band von damals nach wie vor für besonders bemerkenswert, aber dennoch mutmasse und ahne ich bereits, daß sie auch 20 Jahre später nicht wesentlich mehr Leute als damals interessieren wird. Das verurteile ich aufs Schärfste!! Alles, was damals geschah und mit dieser Edition wieder geschieht, ist aber ohnehin nur
für euch wenige, handverlesenen Fans gebastelt und gemacht und geschrieben worden! Ich freue mich, wenn euch das hier ein bisschen freut!! A labour a love from me to you!

CD 1 - Original Album

01. Love/Hate
02. 193
03. Summertime
04. Fructus Quilaya
05. The reason Why (Kufte 92)
06. Im Strumental
07. (My Love Is Like A) Dragon
08. Burn Down The Warehosue
09. More Than I Want To  (Fuckit 92)
10. We Will Die
11. False Tongues
12. Napalm Death In The Chou Chou Clock
13. Chicalagazelle
14 (193 Seconds Of Silence)
15. Destroy Digitalism!

Recorded march 7-13 1992 at
Phase 4 Studio/AindlingMix & Recording: fritz & P.
Cover art by Rautie


Download CD 1




Original Digitalisierungsprotokoll, damals noch unter Katalognummer
Bad 014 auf dem Boxhamsters-Label BAD MOON geführt (wo die CD
ursprünglich erscheinen sollte...)


  


CD 2: Chicalagazelle - Outtakes & Rough Mixes







Foto: Volker Augustin
Hier zum ersten Mal zusammen veröffentlicht: All jene Songs, die aus diesem oder jenen Grund nicht ihren Weg aufs Album fanden und deshalb die letzten 21 Jahre ein Schattendasein auf (zum Glück) gut beschriftetetn Audiokassetten fristen mussten. Nun ans Licht der Öffentlichkeit gerissen! Ich zum Beispiel liebe seit jeher die instrumentalen Vorstufen zum Titeltrack "Chicalagazelle", die verschiedene instrumentale Aspekte dieses Songs genauer beleuchtet (z.B. Manutchehr's komplette Klarinetten-Improvisation oder seine wahnsinnigen Background-Gesänge, die letztendlich zu großen Teilen in den Hintergrund gemischt wurden), das längst vergessene "Grün Grün Krokodil" (im Orginal auf dem tape DöZ & tvuzk: "Zu Tode Gequetscht" zu finden) und einige Klassiker des Kaktuxxe-Repertoires wie etwa der "Sailor" und das noch zu DDR-Zeiten komponierte "(My Girl in the) GDR" (hier auch in einer Version mit Schlagzeuger Flo's Gesang - denn der hatte zu dieser Zeit tatsächlich ein Girl in Thüringen!) Ein besonders hübsches Dokument ist das "Making Of Burn Down The Warehouse" - jenem kurzen Punkkracher der CD, das als letztes Stück direkt während der Studioaufnahmen geschrieben wurde. Ein Fliege an der Wand machte diese Live-im-Studio-Aufnahme: die Kaktuxxe diskutieren den Aufbau des Songs und nehmen ihn anschliessend in einem einzigen take auf - und das in nicht einmal 10 Minuten, wie dieses Audiodokument eindrucksvoll beweist! 


CD 2 - Outtakes & Instrumentals

1. Chicalagazelle (Basic Track with background vocals & clarinet)
2. Untertan
3. Sailor (take 1)
4. (My Girl in the) GDR 1 (vocals Flo)
5. False Tongues (take 1)
6. Waitin‘
7. Grün Grün Krokodil
8. Sailor (take 2)
9. (My Girl in the) GDR 2
10. Burn Down The Warehouse (“Making Of“ live in the studio)
11. Chicalagazelle (Instrumental Version)
12. We Will Die (Instrumental Version)
13. 193 (Instrumental Version)
14. More Than I Want To (Instrumental Version)
15. Napalm Death In The Chou Chou Clock (Instrumental Version)
16. Summertime (Instrumental Version)
17. Waitin‘ (Instrumental Version)
18. Grün Grün Krokodil (Rough Mix, full length)

Recorded march 7-13 1992 at
Phase 4 Studio/Aindling
Mix & Recording: fritz & P.
Cover art based on scribbles by Rautie

Tape Research & Restauration by T.  Kauke 2013


Download CD 2




CD 3: Chicalagazelle - Demos & Experiments




 


Autogrammkarte 2
(Foto: Volker Augustin)
Die dritte CD präsentiert eine Sammlung von Heimaufnahmen, die alle in Monaten vor und nach den Chicalagazelle-Studioaufnahmen entstanden sind und die den experimentellen Geist des Albums atmen. Es sind ein paar Demos und Skizzen zu Songs, die auf dem Album landeten, zum großen Teil aber auch Studien zum Thema "Frequentismus" - ein Kunstwort zur Beschreibung der Musik, die wir damals erfanden, als wir immer zusammen saßen, Comics und Kunst malten und dabei stundenlang im Radio über Kurz- und Langwelle komische Störfrequenzen hörten. Mit dem Ziel, davon verrückt zu werden! Fragense nicht warum, aber ich kann sagen, wir waren erfolgreich (und es kam uns wesentlich billiger, als wahllos harte Drogen zu nehmen, hatte aber am Ende den selben Effekt!). Viele der düsteren Motive und grausigen Bilder, die sich durch das ganze Album ziehen, finden hier ihren Ursprung. Etwa die Vorstellung einer Welt, in der sich Leute den eigenen Arm abschneiden um damit dann andere Leute totzuschlagen oder die ungläubige Faszination für eine Religion, in der die Menschen einen Mann anbeten, der an ein Holzkreuz genagelt wurde - und die angebliche Tatsache, dass nur 3 (oder waren es 5 ?) Gehirne in unserer Welt wirklich denken...
Die meisten dieser "
frequentistischen" Ideen wurden schließlich aber während der Studiosessions zugunsten eines "Rock-Album, dass sich verkaufen lässt" wieder fallen gelassen, was damals sicher einer unserer größten Fehler war, da es sich es trotzdem nicht sonderlich verkaufen ließ. Der andere Fehler war, die Aufnahmen nicht auf Vinyl sondern auf CD zu pressen, weil sie damals sagten, die LP sei tot und die Menschen würden in Zukunft nur noch CDs hören. Jaja, immer klüger ist man erst hinterher! Einzig der über 15 minütige Track "Destroy Digitalism", der eine komprimierte Collage all dieser experimentellen Einfälle darstellt, fand dann letztendlich seinen Weg auf das Orginalalbum. Ein besonders schönes Fundstück ist deshalb der Basictrack von "Destroy Digitalism" - eine Gruppenimprovisation mit vielen akustischen Instrumenten wie Akkordeon und Vibraphon und gespenterhaften Backgroundchören (damals auch der "Happy Peppi Birtday Swing" genannt, da am Geburstags unseres Leadgitarristen eingespielt). Heute, über 20 Jahre später, sind es wahrscheinlich gerade diese homerecordings, die am frischesten und interessantesten klingen - für meine Ohren jedenfalls unbedingt (CD 3 ist jedenfalls definitiv meine Lieblings-CD dieses Sets!!!).

CD 3 - Demos & Experiments

1. Chicalagazelle (Demo by dÖz)
2. Frequentistic Tape #1 (dÖz)
3. The Cries Of Terror (Demo by dÖz, Raul & tvuzk)
4. Destroy Digitalism (Instrumental Basic Track)
5. Life Is Not A Party (Demo by dÖz, Raul & tvuzk)
6. Frequentistic Tape #2 ‚Deutsches Fernsehen‘ (tvuzk)
7. Deutsche Tugend, Deutsche Pünktlichkeit (Demo by Flo)
8. Jesus Christus (Demo by dÖz)
9. Frequentistic Tape #3 (dÖz)
10. Metal Demo (Pepi)
11. Frequentistic Tape #4 (tvuzk)
12. The Gospel According To Mary And Jane (Demo by dÖz)
13  Frequentistic Tape #5 (Flo)
14. False Tongues (Demo by tvuzk)
15. Frequentistic Tape #6 (dÖz)
16. She Knows The Way (Demo by tvuzk)
17. Chicalagazelle Chant (dÖz & Pepi)

Recorded 1991/1992 at home
Cover art based on scribbles by Rautie
Tape Research & Restauration by T.  Kauke 2013


Download CD 3


 

CD 4: Chicalagazelle - The Rehearsal Album







Das wohl beste Pressefoto der Kaktuxxe...
(Foto:Volker Augustin)
Das "Rehearsal Album" ist eine Songauswahl, die ich in den Wochen vor den Studioaufnahmen aus zahllosen Proberaum-Mischnitten zusammenstellte. Immer schon der Tape-Archivar der Band suchte ich damals akribisch nach den packendsten Versionen der Songs, die wir im Studio einspielen wollten und erstellte daraus dieses Tape als eine Art Blaupause von Chicalagazelle. Dieses Arbeitstape - nur zur internen Verwendung für Bandmitglieder gedacht - liegt hier mehr oder weniger in seiner Orginalform vor. Deshalb auch in scheusslicher Tonqualität! Mein Dank geht an etliche digitale plug-ins, die in der Nachbearbeitung das Material überhaupt erst eingermassen anhörbar gemacht haben.  Bis auf die Tracks "Fructus Quilaya" (eine kopflastige Jazznummer, die rund um unseren verworfenen Song "It's Love" herum arrangiert wurde und erst unmittelbar vor dem Studiotermin entstand) sowie "Burn Down The Warehouse" (das direkt im Studio entstand, vergl. CD2 - Outtakes & Rough Mixes) sind hier fast alle Songs des Albums vertreten. Die Energie und Spielfreude der Aufnahmen wirft aber auch ein interessantes Licht auf die Befangenheit, unter der noch junge die Band bei ihrem ersten "richtigen" Studiotermin litt - denn ganz so wild und frei und ...crazy, wie das hier bei uns daheim im Proberaum im Hanauer Schloss Philipsruhe rüberkam, klang es dann im Studio - fern von zu Hause im tiefen Bayern - nicht an allen Stellen. Die "Frequentistic Jam Session", die diese CD abschliesst, entstand erst Monate nach dem Studiotermin, im Mai 1992, passt aber von ihrer Haltung perfekt ins Programm - und featured sogar unseren Bandgrafiker (und inoffizielles 6. Bandmitglied) Rautie am Vibraphon!



CD 4 - The Rehearsal Album
1. Love / Hate
2. More Than I Want To (Fuckit 92)
3. Summertime
4. Napalm Death In The Chou Chou Clock
5. 193/ Untertan/ Fuckit 92
6. Grün Grün Krokodil
7. We Will Die
8. (My Love Is Like A) Dragon
9. The Reason Why (Kufte 92)
10. Waitin‘
11. Chicalagazelle (I‘m Loving You)
12. Frequentistic Jam Session

Rehearsals recorded live 1991/1992 at
Schloss Philipsruhe/Hanau
Cover art based on scribbles by Rautie
Tape Research & Restauration by T.  Kauke 2013


Download CD 4




Die Kaktuxxe in ihrem Proberaum im Turmzimmer des Schloss
Philipsruhe in Hanau (Foto: Volker Augustin)




CD 5: Chicalagazelle - Live 1992








Live 1992 in Hanau/ Schweinehalle (Foto: R. Piesenecker)
Unmittelbar nach der Chicalagazelle-Aufnahme Session in Aindling/ Bayern (im damals angesagten, umgebauten Bauernhof-Studio Phase 4, direkt nach unserer Heimkehr, hatten wir einen Live-Auftritt im hessischen Schotten, in einem Club, dessen Namen leider keiner mehr weiss (Nur für die, die sich an ihn erinnern können: Der Schmidti hatte uns diesen Gig organisiert!). Die Bedingungen für einen Clubauftritt auf dem Lande waren entsprechend (höre z.B. das alkoholisiert gröllende Publikum mit den obligatorischen "Schneller-Lauter-Härter" Rufen), doch eure Kaktuxxe schlagen sich hervorragend und reproduzieren den Sound ihres frisch aufgenommenen Studioalbums erstaunlich gut. Und es ist - soweit es das Archiv heute belegen kann - das erste und einzige Mal, dass wir unsere Songs "Chicalagazelle" und "Fructus Quilaya" live vor Publikum gespielt haben! Der Optimismus der Band ist hier gut dokumentiert, wenn sie stolz die "neue LP, die in 2 Monaten rauskommt" ankündigt. Wer weiss, wie der Abend geklungen hätte, wenn wir schon geahnt hätten, dass es noch die Absage von zwei Labels sowie den Mythos vom "Tod der LP" bedurfte, bevor die Aufnahmen schließlich als CD im März 1993 tatsächlich (auf  "Lalabuh-Records" - dem Label der befreundeten Hanauer Band "Add To Nothing") veröffentlicht wurden.... Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ein JAhr später hatten sich die Kaktuxxe musikalisch bereits so weit weiterentwickelt, dass sie auf der CD-Release Party der "Chicalagazelle" - am 5.2.3. 1993 in der Hanauer Schweinehalle - nur noch ganze vier Stücke von diesem Album spielten. Was übrigens auch der Grund ist, wieso die 20th Anniversary Edition keine 6. CD mit dem Mitschnitt dieser CD-Release Party enthält. Der kommt dann irgendwann andersmal, hier auf unpop!



CD 5 - Live 1992
1. Love/Hate
2. Summertime
3. Napalm Death In The Chou Chou Clock
4. 193
5. False Tongues
6. (My Love Is Like A) Dragon
7. Im Strumental
8. Untertan
9. Grün Grün Krokodil
10. Chicalagazelle
11. Am Ende Bleiben Tränen
12. 193 (Instrumental Version)
13. Burn Down The Warehouse
14. Die Art Von Frau / More Than I Want To
15. Napalm Death In The Chou Chou Clock
16. Fructus Quilaya


 
Recorded live at the Wiehiessernoch-Club/Schotten 03.14.1992>
Cover art based on scribbles by Rautie
Tape Research & Restauration by T.  Kauke 2013


Download CD 5


Programm der Hanauer Schweinehalle 2/1993.





This 20th Anniversary Edition Reissue of "Chicalagazelle" - the first and only album by our nineties Hardcore/Punkrock/Artrock/Krautrock-Band KAKTUXXE - is exactly that 5 CD De Luxe-thing I was always dreaming about since the CD was first released in 1993 (you can even read an anouncement in the original booklet of "Chicalagazelle"!).
This CD set contains the regular album (slightly remastered), one disc with all unissued outtakes and rough mixes, one CD with demos and experimental stuff we were doing while writing the songs for the album, one CD with Rehearsal recordings from that time and one CD with a complete Live Gig played shortly after the recording sessions for this album. I was digging in my old tape archives for almost a year and found a lot of interessting and long forgotten stuff... a labour of love for a small group of fans and connaisseurs. Hope they like it. And maybe you, too... 

Mittwoch, 18. Juli 2012

Frühe Abenteuer der Verlassenen


HANAU PUNKROCK HISTORY PART Soundsoviel:

Forsakes - "Early Demo Tapes 1991" (unveröffentlicht)

Forsakes - "Wrong" (C-30, No Label, 1992. Reissue: schweinehundtapes 1993, sht022)

Forsakes live 1993

So - ich finde es wird Zeit, mich hier wieder mal historisierend zu betätigen und der wahrscheinlich niemals endenden Saga von den wilden Punkrocktagen meiner verschwendeten Jugend in Hanau ein neues Kapitel hinzuzufügen.

Und was für ein Kapitel!
Denn hier kommen die Forsakes - die Urformation jener Hanauer Punk- (oder "Grunge"? Oder "Alternativ Rock"?)-Band, die es schliesslich, Jahre später und nach einigen Umbesetzungen, unter dem Namen "Seesaw" am "weitesten" von uns allen gebracht hatte, mit Major-Plattenvertrag, Tourneen, Festivalauftritten und was weiss ich noch alles.

The Forsakes - den Name fand ich immer ganz schön seltsam, denn sie nannten sich nicht "The Forsaken" oder "The Forsaking" oder sowas in der grammatikalisch korrekten Art sondern eben "The Forsakes", was sich also in etwa als "Die Verlässt" übersetzen ließe, wenn man kleinlich sein will (will ich aber nicht). 

The Forsakes also entstanden aus den Resten der legendären Funpunk-Kapelle "Die Schwiegersöhne", bei denen der Linus Volkmann (vom Intro) Sänger war (und deren nur unter Vorsicht geniessbares Gesamtwerk seit Jahr und Tag hier zu finden ist).

Die Ex-Schwiegersöhne Lothar Müller (git, voc) und Christian Horn (bass) planten nach dem Ende dieser Band einen neue Formation und fanden in diesem Plan Unterstützung von niemand anderem als Frunk, dem Ex-Schlagzeuger der No Funny Handtoys/Asozialsky und Hatsch (- also die Bands in denen ich selbst und mein Bruder Raul die Chefs waren). Wie unser Schlagzeuger Frunk damals aus dieser unsren kleinen Band durch Umstände wie Zeit und Material rausgemobbt wurde, habe ich ja auch schon ausführlich berichtet, und zwar genau hier.
Seit Herbst 1990 probte die neue Band also zusammen, und zwar, soweit das mein Langzeitgedächtnniss noch zusammenkriegt, im ehemaligen Friseursalon von Christian Horn's Mutter, dem legendären echten "Salon Exquisit". 
Mitte 1991 hatte das neuformierte Trio schliesslich genügend Songs geschrieben und einstudiert, daß es für sie an der Zeit war, diese für ein erstes Demo-Tape auf Magnetband zu bannen. Und wen fragte man anno 1991 in Hanau, ob er diesen Job für einen erledigen könne? Na klar, den Chef vom "Inneren Schweinehund" und dem dazugehörigen Tape-Label "Schweinehundtapes". Und der war ich.

So kam es also, dass sich die Forsakes an einem Juli-Wochenende 1991 mit ihren Instrumenten und ihren Songs im Turmzimmer des berühmten Hanauer Schloss Phillippsruhe einfanden. Denn dort hatte die Künstlergruppe KIX bekanntlich einen elfenbeinturmartigen, feudalen Proberaum, wo sie mit ihren Bands Kaktuxxe, Fishkicks und Holly Golightly probten, und das oftmals bis spät in die Nacht (wenn sie dort keinen anderen, verbotenen Unsinn trieben!).

Dort spielte die Ur-Besetzung der Forsakes also - unter meiner "Tonregie" - ihre allerersten Demoaufnahmen ein. Live auf zwei Spuren aufgenommen und mit Gesangs-Overdubs versehen war das natürlich immer noch die denkbar trashigste Aufnahmemethode, aber wir waren jung und anspruchslos bzw. hatten weder Ahnung, wie man es besser machen konnte, noch Geld für das dafür erforderliche Aufnahme-Equipment.

Ach richtig - und es gab auch noch einen weiteren Grund, diese Aufnahmen zu machen, plante ich doch zu dieser Zeit die Veröffentlichung meiner enthusiastischen Compilation-Kassette "Der zweite innere Tapesampler", auf dem ich auch unbedingt ein Stück der Forsakes haben wollte. Und da sie keines hatten, musste ich es also selber aufnehmen. Ihr damaliger Hit "K.W.", aufgenommen während dieser Session, fand sich dann natürlich auch auf diesem Sampler (wie man hier detailreich lesen und hören kann ) - und ist wohl auch das einzig jemals 'offiziell' veröffentlichte Stück aus dieser Aufnahmesession.


Forsakes' erste Demo-Session 13.7.91.
hier: Christian Horn am Bass.

Forsakes' erste Demo-Session 13.7.91.
hier: Frunk.
Obwohl der Sound also eher scheiße ist, obwohl die Band noch längst nicht so eingespielt klingt, wie sie es später - vorallem mit ihrem zweiten Gitarristen Matze - war, obwohl die Gesangslinien bei Lothar streckenweise noch nicht hundertprozentig sitzen und obwohl Frunks Charme immer größer als sein Schlagzeugspiel war (- nur der Horn macht hier schon alles richtig!) - trotz all dieser 'künstlerischen' Vorbehalte, die man diesen Aufnahmen entgegenhalten könnte... - ich finde, man hört bereits hier das gewaltige Potential und das "echte" Pop-Appeal heraus, das die Band später eben zur beliebtesten und erfolgreichsten Band aus unserem kleinen Provinzsumpf machen würde.


Forsakes' erste Demo-Session 13.7.91.
hier: Lothar Müller.

Forsakes' erste Demo-Session 13.7.91.
hier: Der Herr Produzent Torstn Kauke.

Forsakes' erste Demo-Session 13.7.91.
hier: Lothar Müller beim hängen.

Forsakes' erste Demo-Session 13.7.91.
hier: Frunk beim hängen und essen.

Natürlich bin ich da stolz, derjenige zu sein, der die ersten Gehversuche dieser Band aufgenommen hat! Und nachdem mir nun neulich das Masterband dieser Session unter kam, dachte ich mir: nach 21 Jahren kann man das doch wirklich mal der (imaginären oder tatsächlich existierenden?) sehnsüchtigen Menge alter Forsakes-Fans zum Frass vorwerfen, oder? Guten Appetit dabei!


Forsakes' erste Demo-Session 13.7.91.
hier: Zaungast Raul will nicht gefilmt werden.

Forsakes' erste Demo-Session 13.7.91.
hier: Lothar Müller wirkt eher skeptisch.
Die für das Cover-Artwork verwendeten und hier erstmals gezeigten Fotos von diesem Ereigniss stammen übrigens von einem uralten VHS-Band, auf dem sich zufälligerweise ca. 2 minuten Film-Footage fanden, die genau an diesem Tag im KIX-Proberaum entstanden.Wie passend! Was für eine Freude für den Dokumentator! 

Als Bonus-Tracks zu diesen Demos gibt es sogar noch älteres (und allerdings auch soundmässig noch dumpferes) Material zu hören - Liveaufnahmen eines frühen (wenn nicht sogar dem wirklich allerersten?) Konzerts der Forsakes, die sich zu diesem Zeitpunkt noch "Here Flies The Fish" nannten. Inwieweit der da wirklich flog, im Mai 1991, kann man ja beim Hören selbst überprüfen!





Forsakes - "Early Demo Tapes 1991"

01. Intro
02. Smoke Turns Grey
03. Money
04. K.W.
05. Life 1 (abgebrochen)
06. Life 2
07. All And Nothing
08. Doubts
09. Is This No Fault?
10. Frunky Town
11. Truth Is A Lie
12. Frunk's Blues

13. Money (Live 5/91)
14. Doubts/ K.W. (Live 5/91)
15. Truth's A Lie (Live 5/91)
 
Natürlich ist es ein bisschen unfair gegenüber der Band, hier nur das ganz frühe Material zu veröffentlichen, das die Band selber lieber unter Verschluss gehalten hatte. Noch dazu historisch-kritisch inklussive aller abgebrochenen Stücken und komischen Outtakes (vergl. "Frunk's Blues") - und dann auch noch, ohne eines der Ex-Mitglieder direkt um Erlaubniss gefragt zu haben!

Um den vermeintlich falschen Eindruck hier nun ein wenig zu relativieren und die musikalischen Qualitäten der Forsakes besser zu beleuchten, gibt es jetzt auch gleich noch das erste tatsächlich veröffentlichte Demotape der Forsakes, das ca. ein dreiviertel Jahr nach den Schloss Phillipsruhe-Aufnahmen entstand. Hier war dann der Aufnahmeleiter einmal mehr Norbert "Nobby" Weinzierl, der das "richtige" Equippment in Form einer Acht-Spur-Maschine und den erforderlichen Mikrofonen besass (mit denen er auch schon für die KIX-Band Kaktuxxe famose Aufnahmen gemacht hatte, vergl hier).

Dieses Forsakes Tape mit dem Titel "Wrong" löste eigentlich alles ein, was der Sound und das Charisma der Band von Anfang an zu versprechen schien und ich würde es mal getrost als einen der Hanau-Klassiker der frühen Neunziger bezeichnen!

Und ich erinner mich daran, dass viele Leute eine Kopie dieses Tapes besassen und auch nicht davor zurückschreckten, es oft und gerne abzuspielen. Vielleicht freut sich da ja jetzt einer, es nun in digitaler Form wiederzuhören? (Danksagungen in der Kommentar-Leiste werden immer gerne gelesen!). Dass das hier mehr als einmal an Dinosaur Jr. und/oder Buffalo Tom erinnert ist natürlich kein Zufall, waren das doch zu diesem Zeitpunkt angesagten Fixpunkte im musikalischen Indie-Universum vieler deutscher "Nachwuchs"-Bands.
Aber in Sachen Authenzität waren die Forsakes bereits in dieser frühen Phase ihrer Karriere vielen dieser anderen Bands, die bloss den Sound iher damaligen Lieblingsbands reproduzierten, um Klassen voraus. Noch dazu, weil bei diesem Tape bereits Matze Gruber die versierte Leadgitarre beisteuert (und auf zwei Stücken auch selber singt), ja, der Matze Gruber, dem wir auf diesem Blog bereits im Zusammenhang seiner ersten Band Mayflower Madam begegnet sind! Die Querverweise werden hier immer zahlreicher (und so soll das auch sein!).

Das "Wrong" Tape wurde erstmals 1992 direkt von der Band veröffentlicht und die Erstauflage war schnell vergriffen. Ein Jahr später, also 1993, habe ich es deshalb auf meinem Tape-Label "Schweinehundtapes" wiederveröffentlicht und es wurde dort zu einer der Bestseller-Kassetten (ich würde mal sagen, mindestens noch 50 Exemplare, was damals schon 'ne Menge war). Nun also für alle, die lange schon kein Kassettendeck und erst recht keine Kassetten mehr haben: Download hier!!





Forsakes "Wrong"
(No Label, 1992, Reissue: schweinehundtapes 1993, sht022)


A1. Wrong
A2 Doubts
A3. She's Inside Me
A4. I Don't Wanna Know

B1. K.W.
B2 Charlie Brown
B3. Smoke Turns Grey
B4. Wishing Well




Zum Abschluss noch ein altes Forsakes-Interview (und eine Tape-Besprechung) aus dem "Varous Artists" Nr.3 Fanzine/Leverkusen vom Sommer 1993. (Danke Rautie für's ausgraben!).
Auf der 7'' Single, die dem Heft damals beilag ("Heft inkl. Single 5.- DM", das waren noch Zeiten!), landete sogar einer der Tracks des "Wrong"-Tapes. (Welcher weiss ich grad aber nicht, sollte ich die 7'' irgendwo mal finden, gibt's die dann hier vielleicht auch noch zum runterladen!).


 
Interview aus "Various Artists Nr.3", 1993
(Eine Version dieses Artikels in größerer
Auflösung liegt dem Download bei!)

 
 
Rezension aus "Various Artists Nr.3",
1993. "Schwuchtel-Core" durfte man
damals offenbar selbst in "political
correct" Fanzines noch unreflektiert
sagen und dabei den Namen 'Jude' tragen.
Ei,ei - was für Zeiten, Kinners!




These are the very first demo recordings by The Forsakes, who later became SEESAW and happened to release some CDs in the late nineties on Sony BMG. They were the only band from our little old Hanau punk scene from the nineties who came this "far". And if you listen to their first proper Demo tape "Wrong" you may understand why. They of course did sound a bit like Dinosaur Jr. or Buffalo Tom but unlike most other bands who played that style then, Forsakes always had a very special 'pop appeal' to their songs - they sounded authentical and "true" where other bands obviously just copied their favourite records. These are the oldest known recordings of the band!

Dienstag, 14. Juni 2011

Gespräche über Magnettonbänder mit Schmidt

Mit Dr. Matze Schmidt - Kopf der Berliner Elektroprotest-Punkband 38317 - mache ich bereits seit über 20 Jahren hin und wieder Musik. Ende Mai 2011 war er ein paar Tage in Offenbach, um am BENDED REALITIES FESTIVAL im Waggon am Kulturgleis teilzunehmen.
Eine gute Gelegenheit für mich, ihn endlich mal nach den vier Audiokassetten zu fragen, die sich teilweise schon seit 20 Jahren in meiner Sammlung befinden, zu denen mir aber jede weiterführende Information fehlte.



Dr. Matze Schmidt mit modischem Hut (1)

Das "Blind Date" in dem ich ihn mit den Aufnahmen seiner alten Kassetten konfrontierte, wurde schließlich zu einer sehr angenehmen Plauderei über die eigene Biografie mit musikalischen Anekdötchen... Anstatt es also zu komprimieren und in einen eher langweiligen Infotext zu formen, hab ich mich dazu entschlossen, es deshalb hier mehr oder weniger vollständig abzu"drucken". Labertaschen unite!
(T. = Torstn Kauke, M. = Matze Schmidt)


Erstes Tape:
"Matthias Schwarze" (C-12, 1990, kein Label)




T. - Hier ist das älteste Tape, das ich von dir habe, damals nanntest du dich noch Matthias Schwarze. Erinnerst du dich noch, wie diese Aufnahmen entstanden sind?
M. - Ja, das weiss ich noch genau....Meine Eltern sind umgezogen in ein Haus und das stand leer noch, da standen die Möbel noch nicht drin, da gab es einen geilen Parkettboden und da hab ich die Aufnahme gemacht...
T. - Im leeren Parkett-Wohnzimmer
M. Ja, so depri...Das waren dann so Aufnahmen, die ich mit Kassette gemacht habe und dieser leichte Hall kam dann eben von dem leeren Raum... Rumgeschreie, ne, so Urschreie eben...
T. - Aber irgendwie sind die noch so komisch gefiltert, was hast du da gemacht??
M. - Da hab ich die Kassetten zerknittert...
T. - Echt?
M. - Ja, und dann nochmal aufgenommen und nochmal zerknittert - ich glaube, es gab ein bis zwei Arbeitsschritte mit Zerknitterei... Also, das Mastertape war dann zerknittert in zwei Zerknitterstufen: einmal zerknittern, überspielen, dann nochmal zerknittern, aufnehmen...so ungefähr...
T. - Aha...! Das hatte mich die ganze Zeit interessiert, wie du diesen Effekt auf der Stimme gemacht hast, heute würde man da 30 verschiedene digitale plugins hintereinander schalten, damit es irgendwie zerknittert klingt...
Wann war das? 1990, oder sogar noch früher?
M. - Ja, das war noch während meiner Zivizeit,da kannten wir uns glaube ich sogar schon...
T. - ...Na klar, sonst hätte ich das tape doch garnicht!
M. - Ach ja natürlich...Also so 1990... Und da ging es wirklich so darum, die ganze Scheiße irgendwie rauszulassen, das war auch sehr stark expressionistisch, emotional und leck-mich-am-Arsch...
T. - Zweifelsohne!!
M .- Und es sollte kein Song sein, sondern einfach nur Uääähhhrghhh...
T. - Isses ja auch geworden....
M. - Das war natürlich auch in der Zeit, als ich im Plattenladen "Metal Machine Music" von Lou Reed entdeckt hatte...Und ich hab viel Stockhausenzeugs in der Zeit gehört und obskure Tapes...
T. - Ja, die "Metal Machine Music"...die hast du mir damals auch aufgenommen, als ich mit meinem Bruder mal zu Besuch war... - als wir in dem Proberaum deiner damaligen Bluesband so Stücke wie "Wenn Du Mal Nach Kassel Kommst" und den ganzen Kram aufgenommen haben...- an diesem Wochenende hast du mir die "Metal Machine Music" aufgenommen - seitdem geistert die auch in meinem Kopf rum!
M. - Der Ulrich -...ich glaube, der heisst Ulrich Krieger, der hat ja eine Partitur aus diesem Metal Machine Music gemacht...für diese Zeitkratzer...
T. - Ach ja, die sind damit ja schon zusammen mit Lou Reed aufgetreten...
M. - Jaja, genau!

Download "Matthias Schwarze"

(Anmerkung: Seite A diese tapes ist nur auf dem linken, Seite B nur auf dem rechten Kanal bespielt. Nur so zum Spass habe ich uns allen zusätzlich noch einen Stereo-Remix gebastelt, auf dem beide Kanäle gleichzeitig zu hören sind.)



Zweites Tape:
Die drei ??? - Demotape (C-15, 1992, kein Label)




M. - Was ist das jetzt??
T. - Das sind die 3 Fragezeichen...
M. - Ach ja, "Das Urteil"
T. - Vorallem erstmal "Saugnäpfe", das fand ich immer schon besonders geil...
M. - Da singt der Markus...
(Wir hören eine Weile dem Song mit seinem ewigen Refrain "Saugnäpfe, Saugnäpfe" zu)

M. - Der Markus ist jetzt Sozialarbeiter...Diplomsozialmensch...spezialisiert auf Typen mit Agressionen, glaube ich...Also, Anti-Agressionstraining macht der.
T. - Der spielt hier Gitarre und singt...Und du singst "Saugnäpfe" und spielst die Blockflöte ? Aber ihr ward doch schon drei, oder?
M. - Wir waren drei? Wie hieß denn der Dritte? ...
(denkt nach, ihm fällts aber nicht ein)

Scheisse... Ich weiss nur noch, der war damals Bäcker...Hatte auch schon ein Kind... Ich glaube, Markus spielt Gitarre und der Bäcker - wie heisst der denn nur- der spielt Blockflöte und ich mache diesen Saugnäpfffffffffe-Kram...
T. - Damit seid ihr damals auch aufgetreten, oder?
M. - Es gibt ein Video davon, ganz aufwändig, mit drei Kameras...
T. - Stimmt, das hab ich damals auch mal gesehen... Aber ihr seid mit dieser Musik nie aufgetreten, oder?
M. - Doch, wir haben mal einen Gig in ner Kneipe gemacht, in Kassel, die so 'ne Art Blueskneipe werden wollte
T. - Und nachdem ihr da gespielt hattet, konnten die das nicht mehr, hahaha...
M. - Tatsächlich war es dann auch so, die haben da dann bald dicht gemacht.
Da haben wir also einfach behauptet, also so getan, als könnten wir Blues spielen... Das war ein fulminater Auftritt, das war gut...

(Zweiter Song "Das Urteil")

M. - Ah, "Das Urteil", das hat mir immer gut gefallen...Unser Punkstück!
T. - Mit dir am Schlagzeug
M. - Ich am Schlagzeug, ich mach aber nur so duff-duff-duff... und da singt der Bäcker. Sehr geil! Die Idee war, sowas zu machen wie Trio, nur härter. Was einfaches - aber hart.
Das war unser geilstes Stück...
Ich lebte damals hinter einem Baumarkt, in so einem ehemaligen Bürogebäude, in Kassel in der Leipziger Straße, und hatte da einen Raum, der nur Proberaum war, direkt neben meinem Zimmer. Ich musste als nur die Tür aufmachen und schon war ich im Proberaum, das war ein genialer Zustand.
Aber es war auch Terror, denn morgens hört ich immer den Gabelstapler fahren, direkt neben meinem Bett sozusagen... Das ging irgendwann nicht mehr... Dort haben wir diese Songs geprobt und gespielt und auch aufgenommen.

Und einmal sind wir abends nen Döner essen gegangen und sassen dann draussen so rum, irgendwann ging da die Alarmanlage an und wir haben noch so gewitzelt "Höhö, gleich kommen die Bullen, was ist denn da drüben los??" Dann sind wir zurückgegangen und wollten unsere Sachen noch zusammenpacken, unsere Autos standen da noch rum, wir hatten damals alle Autos. Plötzlich Reifengequietsche und drei, vier Polizeiautos um uns rum..."Was machen Sie hier?" Ich sag, ich wohne hier und die "Na klar, Sie wohnen hier...". Dann ging ich rein um meinen Personalausweis zu holen. Und als ich aus dem hell erleuchteten Raum wieder in die Dunkelheit rauskomme, sehe ich erstmal nichts, reiche denen meinen Perso, reisse die Augen auf...- und gucke direkt so in die Wumme rein. Und der Bulle: "Jetzt halten Sie mal bitte n bisschen Abstand, ja?". Da dachten die halt, wir hätten da eingebrochen...das war so eine der geilsten Geschichten mit den drei Fragezeichen....War ne lustige Band, aber wir sind nie soweit gekommen, die Ansprüche waren zu unterschiedlich...
T. - Und wann war das gewesen??
M. - So um 1992 herum...
T. - Ich erinner mich, das war so um die Zeit, als wir unseren KIX-Verlag gegründet hatten und uns gesagt hatten, das wir jetzt ne Firma namens "KIX multimedia" sind, da lag das Video nämlich eines Tages in der Geschäftspost...
M. - Das letzte Stück "Okay" sollte auch so ein Minimalstück werden mit kürzestem Text, nur "Super", "Geil" "Klasse"...Ich habe Gitarre gespielt und der Beat kam von einem Yamaha Keyboard und einer klopft drauf rum und wählt möglichst viele Sounds nacheinander an und spielt. Ich glaube, wir haben damals gar keine Vierspur Aufnahmen gemacht sondern alles gleichzeitig aufgenommen, ohne Overdubs.
T. - Mehr Gigs ausser dem in der Blueskneipe habt ihr aber nicht gemacht??
M. - Wir hatten noch einen in einem ehemaligen Loch - das hieß auch Loch - und dann noch so ein paar private Auftritte, aber mehr nie...das ging dann ziemlich schnell ein.
Das lief dann mit nem anderen Kompagnon unter dem Namen "Drei Fragezeichen" nochmal weiter, da gings dann mehr so Richtung Kunstmucke. Das war die Zeit, als plötzlich viele Leute drauf gekommen waren, mit CDs was zu machen. Und der Thomas hatte einfach entdeckt, dass es so einen Klackersound gibt, wenn man die CD schnell vorspult... Da entdeckten wir auch Oval und dachten uns, ah ja klar, die machen im Prinzip auch nichts anderes...Ich hab dann so Gitarrengewummer gemacht und er so klickklichklickklickklickklick dazu... Da haben wir dann auf einer Ausstellung "Bilder einer Ausstellung" neu vertont
T. - Mit einer Mussorgsky-CD vermute ich??
M. - Natürlich - klickklichklickklickklickklick! Und da hießen wir dann auch die drei Fragezeichen, obwohl wir nur zu zweit waren. Da gibt's auch Aufnahmen davon.

Download: Die drei ??? "Demo"


Drittes Tape:
Copyright - "Dermic" - Unikat (C-60, 1997, NoGround)





M. - Ohhh - ich weiss noch nicht mal mehr, wieso das "Dermic" heisst...
Das war 1997, da hatte ich mein Studium fast beendet und da war Achim Wollscheid in Kassel auf 'nem Kongress, den hatte ich eingeladen aus Frankfurt. Ich interesierte mich für so repetative und auch automatisierte Geschichten. Und der Achim Wollscheid hat damals was sehr geiles gezeigt. Ich weiss nicht mehr genau, wie das aufgebaut war, so eine Mischung zwischen analog und digital. Er hielt da einen Vortrag, sprach ins Mikro und dieses Signal durchlief verschiedene Filtersysteme und wurde wieder ausgespuckt, als Noise, als Klackerdiklacker-Geschwurbel...
Aber man konnte die ganze Zeit auch gucken, welches Gerät macht was, das war alles auf einem Tisch aufgebaut. Und er hatte auch so kleine Geräte gebaut, die nach random-Prinzip, softwaregesteuert mechanische Schläge austeilten, z.B auf Glas. Das hatte mich damals stark beeindruckt.LinkT. - Wie hast du aber diese Tape gemacht??
M. - Ich glaube, das ist ne CD, die hängt. Oder, nein - ich hatte damals einen CD-Recorder, da konnte man ganz kurze Stücke mit sampeln, also in dem Sinne, dass man sie immer wiederholen lassen konnte, kleine Loops. Das hab ich gemacht und dazu noch diese Fläche mit einem Synthie gespielt... Das ist also eine Vierspur Aufnahme.
Und dann hab ich diese Kassette dem Achim Wollscheid damals auch noch geschickt und der nur so "Jajaja, schön, gut gemacht!". Das war ne sehr inspirierende Zeit, ein Jahr später hatten wir dann z.B. Asmus Tietchens und Monolake nach Kassel eingeladen, die haben alle performed bei uns in so nem Laden, den wir angemietet hatten. Das war eine richtig gute Zeit, um diese ganzen Sachen alle noch mal zu durchdenken...
T. - Ich erinnere mich gut, dass dieses Tape häufig bei uns in Offenbach in der Hochschule für Gestaltung in der Cafeteria lief. Wenn mein Bruder und ich da einmal in der Woche arbeiteten, lief da ausschließlich elektronische Musik von uns und von Freunden und Bekannten.
M. - Das ist ja geil, das war dann so richtig euer Club, oder wie ?
T. - Ja, wir haben die eigentliche Arbeit in der Cafeteria auch immer eher als lästige Nebensache wahrgenommen, damit wir da unser Zeug spielen konnten, Und das war auch immer ein guter Anlass, mehr Musik zu produzieren, weil man da ein Publikum hatte und gucken konnte, wie die so reagieren...
M. - Und wie fanden die Leute das?
T. - Ja, das kam meistens gut an, viele hatten das garnicht als "selbstgemacht" wahrgenommen, die haben wahrscheinlich gedacht, wir haben die geilen Scheiben von noch unbekannten Technogrößen....
M. - Ich erinnere mich, es gab da in Kassel ein kleines Antiquariat, in dem ich immer eingekauft habe, und da hab ich dem mal ein paar selbstgebrannte CDs in nem kleinen Schuber gegeben, "Kannste die vielleicht verkaufen? Hör doch mal rein!". Und da kam ich am nächsten Tag wieder und der Typ nur "Unhörbar, kann ich nicht verkaufen...".
Und dann hab ich damals auch aufgelegt, im "Haus" in Kassel, und da auch hin und wieder eigenes Zeug gespielt, und ich weiss noch, eine Situation, da gabs ne Diskussion und einer sagte "mach doch mal Musik". Und da sagte ein anderer "Ja aber der Matze legt doch grade auf".. "Aber welche Musik denn?" Denn das waren nur so leise Töne und Blub-blub-Geräusche...

T. - Also, ich mag diese Kassette sehr, das fließt so schön vor sich hin und geht eine Stunde so durch...Und wegen des Titels "Unikat" hatte ich mir überlegt, ob du das alles in einer mehrstündigen Session live auf tape gespielt hast, jedes tape also einen individuellen Teil aus der kompletten Session enthielt...

M. - Ja, klar, das ist alles live eingespielt worden - aber ich hatte nicht das Konzept, dass jede einzelne Kassette für sich live aufgenommen wurde.
T. - Was ist denn hier jetzt eigentlich der Projektname und was der Titel des Tapes??
M. - "Copyright" war das Projekt und "Dermic" sollte wohl das Stück heissen...aber warum weiss ich nicht mehr...hört sich n bisschen an wie "Gedärme"...
T. - Oder wie "Der Mikrofon"
M. - Wahrscheinlich sollte nur etwas mit "mic" drin sein und ein "R" sollte auch drin sein... Wahrscheinlich irgendein Anagram von irgendwas, was ich schon wieder vergessen habe... Und NoGround sollte ein Label werden und die Idee war wirklich, Leute mit Kassettenaufnahmen zu featuren...
T. - Ja, mein Stück "Balkon Electrique" ist da doch damals auch erschienen...Mit deinem gesprochenen Stück auf der B-Seite...
M. - Damals kam von Microstoria diese Scheibe raus mit den Balkonen auf dem Cover (Init Ding) - und das passte oberflächlich gesehen genau zu deinem Stück, obwohl denen ging es ja eher um die repetative Wiederholung eines Musters und um industrielle Architektur - aber es war genau der Hinweis zwischen innen und aussen, zwischen Innenraum und Aussenraum... Das war einfach so simpel, das kam genau richtig, kam genau richtig... Das war privat und war doch nicht privat....in diesen Schluchten in Offenbach...

Download: Copyright "Dermic" Unikat


Viertes tape:
"berro COM" & "2I-I" (tracks, 1997)




T. - Dieses tape hier - du hast selber vorgestern gesagt, du könntest dich überhaupt nicht mehr daran erinnern??
M. - Nee...
T. - Ich weiss, dass das 2 Stücke waren, die du speziell für meine tape-Compilation Reihe "elektr Hund" aufgenommen hast (vergl hier und hier) - und ich weiss noch, dass du drauf bestanden hast, dass die Typo genauso geschrieben werden musste, wie du sie vorgegeben hattest und ich dann verzweifelt in den Sonderzeichen nach irgendetwas suchte, um einen sekrechten Strich zu erzeugen...Das ist die selbe Zeit, auch 1997...
M. - Die Klackersounds hab ich mit einem Synth erzeugt und das andere ist pitching - es läuft da was von Kassette und ich pitch da rum...mit der Geschwindigkeitsregulierung... Das war ein Yamaha Viersprurrecorder, den ich damals hatte...Also, da erinner ich mich nur noch ganz dunkel dran, ich würde das Stück nicht als eines von mir identifizieren, wenn ichs jetzt irgendwo hören würde...
Das war ne sehr autistische Phase bei mir... Ich hab mit ganz vielen Leuten was gemacht, so Projektchen, ganz viel Action, Action, Action - und dazwischen dann wieder ein, zwei Tage, wo ich nur zu Hause so Sachen aufgenommen habe...
Ich hab damals immer so Keyboards und so'n Kram gekauft und musste das immer vor meiner Freundin verstecken, damit die nicht mitkriegt, dass ich schon wieder Geld ausgegeben hatte für irgendwas, was ich mir nicht hätte leisten dürfen...
T. - Oh ja, das kommt mir auch noch sehr vertraut vor...
Beim nächsten Stück - da konnte ich mich auch nicht mehr dran erinnern - hast du Stücke von mir und meinem Bruder reingemischt, das ist also quasi ein Remix von den Stücken, die auf dem ersten Elektr. Hund Compilation Tape vertreten waren als Stück für das zweite Elektr. Hund Compilation Tape... aber da weisst du wohl auch nichts mehr davon??
M. Nee, da weiss ich nix mehr von...

Download: Matze Schmidt "berro com" & "2I-I"



Dr. Matze Schmidt mit modischem Hut (2)

This is an interview with Dr. Matze Schmidt, because i do since more than 20 years musical stuff with him (from time to time) and when he was here last may i took the oportunity to ask him about four tapes i got from him but had no informations about them anymore. Very intelectual and experimental electronic art stuff that you are only allowed to download, if you can read the full interview in german without googling for words you don't know. Otherwise don't touch or your head will explode (or implode, depending on what's inside).

Sonntag, 24. Januar 2010

Was machen wir am St. Fleischmanns Tag? Wir ziehen uns gut an und wir ziehen uns gut an...

v.a.: "A true Karnick can never die!
A tribute to Fleischmann (1988-1991)"
(sht 016, C-30, 1992)
Dieses schweinehundtape war eine sehr persönliche Angelegenheit, nämlich ein Tribut an das Kultkaninchen Fleischmann. Dieses Kaninchen hiess eigentlich 'Hoppel' und gehörte unserer (also Raul & meiner) Schwester Lara...Weil uns dieser Tiername aber viel zu wenig Punkrock war (...und weil sich die 7 jährige Lara sehr darüber ärgerte) nannten wir das Tier lieber "Fleisc
hmann" (...wie in Märklin) und widmeten ihm mehr als nur eine Titelgeschichte in unserem Punkrock-Fanzine "Der innere Schweinehund". Viele Jahre hindurch inspirierte er uns durch seine blosse Anwesenheit und viele Songs, die wir damals schrieben, beschäftigten sich mit ihm...


Schon im Jahre 1989 veröffentlichten wir mit unserer Punkband "Asozialsky und Hatsch" (siehe auch hier) eine Live-Kassette mit dem Titel "Fuck for Fleischmann" und später hiess es "Seid nett zu Tieren -
Sodomie"...
Man kann sich also vielleicht vorstellen, was für ein Schock es war, als dieses Kaninchen 1991 bei einem schrecklichen Unfalls viel zu früh verstarb und uns mit so! vielen! Fragen! zurückliess...

Es lag also nahe, für uns und für die Leser des "inneren Schweinehunds" eine Tribut-Kassette mit vielen der Kaninchenlieder aus diesen Jahren zu veröffentlichen. Und so geschah es: Wir hören also Fleischmann-Lieder: Ausschnitte aus dem ersten A&H-4 Spur-Demo, eine dumpfe Liveaufnahme der Nachfolgeband Fishkicks, eine Menge Balladen (und so etwas wie ein HipHop Stück) von mir & Raul sowie zwei Stücke von Brooke and the New Rabbit Socciety. Brooke, das war - offiziell - ein Au Pair Junge aus den USA, der ein paar Monate bei uns gewohnt hatte...



Brooke and the New Rabbit Socciety: We love Fleischmann


Nach 20 Jahren sollte es aber auch mal okay sein, zu verraten, dass es in Wirklichkeit natürlich Raul mit amerikanischem Akzent war... Naja, das mit der New Rabbit Socciety hätte ja wahrscheinlich eh keiner geglaubt...

Download "A true Karnick can never die"



Orginal Flyer, Frühjahr 1992


This is a tribute tape to our sister lara's rabbit "Fleischmann" who was a long time inspiration for me and my brother Raul in those days - we dedicated a lot of title stories in our fanzine "Der innere Schweinehund" to him and wrote even more songs about him. When he suddenly died by accident we were shocked...later we decided to produce this tape as a tribute to him. It contains a lot punkrocksongs about sodomy, if that's interessting for you...It also contains 2 songs by Brooke and the New Rabbit Socciety, who wasn't an aupair boy from the USA but Raul singing german with an american accent. you didn't believe it then and you won't believe it now (...and you don't care anyway...).