Sonntag, 17. Juli 2011

Eine Kollektion schöner Musik schöner Menschen (und solcher die es werden wollen)


v.a. - "Der zweite innere tapesampler"
(C-60, 1991, sht 015)



Und wo wir gerade bei klassischen schweinehundtapes waren, ich denke, das hier ist auch eines: Der zweite innere tapesampler.
Für die, die den Titel bis heute noch nicht verstanden haben: ein Wortspiel auf mein Fanzine "Der innere Schweinehund", eine Art "klingender Schweinehund", das Heft zum Anhören sozusagen...


Der zweite innere tapesampler war das erste schweinehundtape mit integriertem Minibooklet! Weil es mich immer ärgerte, dass die mitgelieferten Booklets von selbstproduzierten tapes dazu verdammt waren, verloren zu gehen, suchte ich nach einer Lösung, alle infos und texte IN die kleine Kassettenhülle hineinzubekommen. Die Lösung war schließlich: ein Mini-Din-A7-Heftchen, das in das Kassettencover eingeklebt wurde.

Für das Cover des zweiten inneren tapesamplers war - wie schon beim ersten inneren tapesampler und beim inneren Sprachsampler - wieder Jörg Ritter zuständig, der nicht nur ein tolles schwarz-weiss-Cover gestaltete sondern - für die auf 50 Stück limitierte Edition mit Farbcover - auch noch vier unterschiedliche Farbcover entwarf (die hier und heute erstmals gemeinsam abgebildet werden!).


Die Musik auf dieser Kassette stammte ca. zur Hälfte aus eigener Produktion und zeigte den Zwischenstand der musikalischen Entwicklung unserer eigenen Bands an, die andere Hälfte bestand aus Bands von Freunden und Bekannten, die ich bei Konzerten persönlich kennengelernt hatte und die sich stilistisch grob alle in die Punk, Alternativrock oder Indierock-Schublade einordnen lassen...

Es finden sich Stücke der Stuttgarter Band mit dem schön sexistischen Namen Violent Pussyriders, die einen US-Indierock á la Dinosaur Jr. spielten (und sich noch vor Veröffentlichung dieses tapes sicherheitshalber in From Outer Space umbennanten um als solche noch eine 7'' und eine CD zu veröffentlichen). Dort spielte der schweinehund-Fan Oli Grimm Schlagzeug, der ansonsten als Sänger und Gitarrist des obskuren Trios Psötik'z Tschernobeef einen beinahe surrealen Poppunk spielte, der besonders durch die schrägen Texte auffiel, die in einem ganz eigenem (und eigenartigem) Kunst-Deutsch verfasst waren ("Koffre und Bank // weil niemals Geld // Darum Koffre krank // Beweist Farbe Gelb").
Mit der Bezeichnung ihres Stiles als "Pseudofundadakultpsychogruftpunkcorerock'n'roll" hat die Band gewiss nicht übertrieben (und machte insgesamt drei oder vier tapes, von denen hier irgendwann auch nochmal die Rede sein wird).


Dann gab es die HC/Hardrock-Band Das Drama, in der Jens Neumann Bass spielte. Neumann, heute beim Ventil-Verlag in Mainz und damals ein aussergewöhnlicher Fanzine-Enthusiast, war es tatsächlich gelungen, das Wahnsinnsprojekt "D.L.R." zu realisieren: ein Zentral-Vertrieb für obskure deutschsprachige Fanzines und ähnlichen, in geringen Stückzahlen erschienene Untergrundheftlis - und am Laufen zu halten! Beim D.L.R.-Vertrieb konnte man in den frühen Neunzigern wirklich beinahe fast jedes verdammte Fanzine, dass es damals gab, bekommen (- und waren sie auch noch so obskur, wie etwa "Der innere Schweinehund" oder das "KIX" Comicmagazin, die es dort natürlich auch zu erwerben gab). Die Musik von Das Drama wurde sehr kontrovers aufgenommen, in sofern, dass jeder in meinem Bekanntenkreis sie hasste - während mich die Musik (trotz gewöhnungsbedürftigem Sänger und schweren Metalriffs) auf eine mir nicht erklärliche Weise gepackt hatte (- so sehr, dass ich ein Jahr später sogar ein tape mit unveröffentlichten Demoaufnahmen von Das Drama auf schweinehundtapes herausbrachte, sht 020: "The Whole Drama").

Tech Ahead stammten aus dem beschaulichen Aindling in Bayern (bei Augsburg) und ich hatte sie bei ihrem Konzert in der Metzgerstraße kennengelernt Das Duo bestand aus einem Gitarrist (Fritz) und einer Bassistin (P) und einem Drumcomputer! Zu unserer Freude also genau das Line Up der frühen Asozialsky und Hatsch, nur eben mit amtlicher und gut produzierter Drummaschine und ausgereifteren Songs, die natürlich allem, was A&H je gemacht hatten, technisch meilenweit voraus war (kann man hier nachhören). Neben diesem Bandprojekt betrieben die zwei auch das Phase 4 Tonstudio, in dem wir als Kaktuxxe ein Jahr später unsere CD "chicallagazelle" aufnehmen sollten...

Die Highlights des 2. inneren tapesamplers (und sicherlich auch ein Grund für die hohen verkaufte Stückzahl von fast 80 Exemplaren!) waren damals aber die beiden Stücke, die unsre Gießner Lieblingspunkband Boxhamsters zur Compilation beigetragen hatte. Die Stücke "Schleichfahrt" und "Aloha from Helgoland" waren zu dem Zeitpunkt, als das tape erschien (also Herbst 1991) noch gänzlich exklussiv und zuvor unveröffentlicht und erblickten auf dieser kleinen Kassette sozusagen zum ersten Mal das Licht der Welt. Gut, keine zwei Monate später erschien dann der LP Sampler "Life is Change Vol.2" auf dem Hamburger BeriBeri-Label (stiehl ihn hier), auf dem die "Schleichfahrt" ebenfalls erschien - aber die Live-im-Proberaum-Nummer "Aloha from Helgoland" war ausschließlich auf dem schweinehundsampler zu finden (naja, wenigstens 5 Jahre lang, bis sie als Bonustrack auf der CD-Veröffentlichung der ersten Boxhamsters-LP auftauchte).

Mit einer kleinen Boxhamsters-Rarität kann das tape aber sogar bis zum heutigen Tag aufwarten, denn in der Gießener Punkband Eugén & Der Effektive Jahreszins um den spaßigen Uwe Roggenbuck spielte der Boxhamstersbassist Phillip auch schon 1987 (als diese Aufnahme entstand) dieses Instrument. Genaueres weiss die Boxhamsters-eigene Gechichtsschreibung zu berichten

Ansonsten finden sich auf dieser Kassette nur Perlen für den echten KIX- und schweinehundtapes-Fan (wer ist das ausser mir eigentlich??), denn die Beiträge der beiden Hausbands Kaktuxxe und Fishkicks sind exklussive, nur hier erschienene Aufnahmen - z.B. die frühe Vierspurversion von "Rot", dem Hit auf der einzigen, gleichnamigen Single der Fishkicks - oder der heute arg obskur anmutetende Versuch der Kaktuxxe, mit funky Arrangements und - ja: Ragamuffin-vocals - eine Art Punkdisco-Hit zu generieren - mindestens 15 Jahre vor der Zeit, seitdem Punk und Disco überhaupt etwas miteinander haben dürfen.

Die Forsakes - die einzige Hanauer Band aus diesen Jahren, die nach einigen Umbesetzungen später richtig bei 'nem Majorlabel unterkam (als Seesaw, höre hier ) präsentierten hier ihre allerersten (von mir produzierten) Demoaufnahmen (- und man hört denen schon auf diesen ganz frühen Aufnahmen ihr gehöriges musikalisches Potential an!). Aber dennoch: mein liebstes Stück hierdrauf war und ist immer noch das Stück vom ollen Kaktuxxe-Gitarrist Pepi, dass er seiner damaligen Freundin Steff gewidmet hatte (und nun für alle Zeiten diesen Titel trägt), eine hübsch melancholische Disconummer, die mich seit jeher mehr an The Cure erinnert als ihm das recht wäre. (Gut, nicht vom Gesang her - der klingt als habe da einer als Kind zuviele Soulplatten vorgespielt bekommen, was meines Wissens den Tatsachen entspricht - aber allemal von Arrangement und Instrumentierung). Warum haste eigentlich nie noch mehr solcher Songs gemacht, Pep?


Download: Der zweite innere tapesampler (inkl. Artwork)


A1. Einleitung (Monthy Phython)
A2. Violent Pussyriders - Here to stay
A3. Das Drama - All our times (live 1991)
A4. Forsakes - K.W. (Demoversion)
A5. Raul - Overcloud Flight
A6. Fishkicks - Rot (Vierspur-Version)
A7. Tech Ahead - Name of god
A8. Psötik'z Tschernobeef - Koffre & Bank
A9. tvuzk - The Most Beautiful Girl In The World
A10. Boxhamsters - Aloha From Helgoland
A11. Michael Müller - I Don't Like Mondays

B1. Kaktuxxe - Love (Vierspur-Version)
B2. Tech Ahead - Weird Planet
B3. Boxhamsters - Schleichfahrt
B4. Violent Pussyriders - World Outside My Window
B5. Fishkicks - Durst (Vierspur-Version)
B6. Das Drama - Feed Me (Live 1991)
B7. Pepi - Steff
B8. Eugén & Der Effektive Jahreszins - Gunther Sachs Rules Okay (Live 1987)
B9. Psötik'z Tschernobeef - Festre
B10. Kaktuxxe - 193 (Vierspur-Version)
B11. Ausleitung (Monthy Phython)



The "zweite innere tapesamler" is another classic tape from schweinehundtapes that sold a lot. It contains 50% rare and nowhere else released stuff by our own Bands like Kaktuxxe oder Fishkicks (and some solo releases by some members of these bands like Pepi, Raul or even myself) and 50% not-so-rare stuff by bands i knew personally then from concerts played together or from mail contacts. The most interesting tracks here might be the constributions by german punk band Boxhamsters (which were exclussive to this compilation by the time of its release) and the early demo recordings by Forsakes, the band that later became Seesaw (- and was the only of the old hanau bands really happened to become a major label act for a while...). Nice and obscure Punk, HC & Indie stuff from the early ninetees.

Mittwoch, 13. Juli 2011

"Ich will nicht glücklich sein, denn Enten heissen Günther"




Raul - "Glücklichmensch"
(C-45, sht 005, 1990)



Ah, ein Klassiker!
Hier kommt das zweite Solo-tape von meinem Bruder Raul - voll mit symphatischen (bis niedlichen) LoFi Punk-Pop-Miniaturen, die auch im einundzwanzigsten Jahr ihrer Existenz nichts von ihrem Charme eingebüsst haben. Dank des tollen Covers (gestaltet natürlich von Rautie - und meiner Meinung nach eines der stärksten/schönsten Plattencover-Ilustrationen, die er je geschaffen hat!) war das tape immer schon ein eyecatcher, dass sich nicht zuletzt deshalb im schweinehund-mailorder immer gut verkaufte.

Aber eben nicht nur deswegen - die kleinen Liedchen hier verströmen einen Lo Fidelity-Charme, dem man alle Spielfehler verzeiht und die durch die lustigen und kuriosen Texte immer wieder gerne zum hinhören einladen. Und oh die Melodien!

Popnummern wie "Men from Star" oder "Rubberball" hätten ins Radio gemusst (ihr wisst schon: in einer besseren, gerechteren Welt), der Titelsong war eine Grunge-Hymne, die noch die nachsten 5 Jahre im Repertoire der Fishkicks verbrachte (...und es schliesslich sogar auf die einzige Vinylsingle der Fishkicks geschafft hat) - na, und "La Gloire" ist für mich ein Punkrock-Klassiker, der klingt, als sei er direkt im besetzten Haus in Schlumpfhausen eingespielt worden.


Wurde er sogar fast! Die Schlagzeugspur entstand nämlich, wie fast alle Schlagzeugtracks auf dieser Kassette, beim Matze Gruber im Hobbykeller. Matze war damals der Gitarrist der eindrucksvoll-seltsamen Wave-Band "Mayflower Madam" (siehe hier) und im Hobbykeller seines Elternhauses in Hanau-Großauheim probte die Band.

An Nachmittagen, an denen Mayflower Madam dort nicht probten, nutzte Raul das Schlagzeug, um mit dem schweinehundeigenen Vierspurrecorder dort zwei, drei 90-er Cassetten voller Schlagzeugspuren aufzunehmen. Während Frau Gruber zu Hause war und das stundenlande laute Getrommel von irgendnem Kumpel ihres Sohnes (soweit ich mich erinnere) wiederspruchslos hinnahm. Auch das ist irgendwie Rock'n' Roll. Passiver, wenn man so will!

Schlagzeugspielen konnte mein Bruder zwar tausendmal besser als ich (denn ich bin Schlagzeug-Legastheniker), aber natürlich auch nicht so richtig, so dass es hin und wieder etwas holprig wurde. Aber natürlich egal!

Daheim im eigenen Elternhobbykeller, in dem ausser einem Schlagzeug alle wichtigen Instrumente am start waren, bastelte er dann aus jedem der aufgenommenen Schlagzeugtakes einen kleinen Song. Die schönsten davon fanden dann ihren Platz auf diesem tape (es sollte aber noch eine tonne mehr von diesen songs geben, von denen es vielleicht bald mal welche zu hören gibt, wenn ich das nächste Großprojekt - das Archiv Raul zu digitalisieren - in Angriff nehme.).

Der Titelsong ist allerdings schlagzeugmässig eine ganz andere Geschichte, denn hier sitzt offenbar jemand an der Schiessbude, der sich damit richtig auskennt. Bei "Glücklichmensch" trommelt nämlich niemand anderes als Matze Schmidt, der ein Wochenende lang zu (nie veröffentlichten) Private-Urknall-Aufnahmen aus Kassel vorbeigeschaute und hier von Raul als versierter Sessiondrummer genutzt wurde.

Besonders gerne erinnere ich mich auch an den ganz persönlichen, familiären Song "Ablage", in dem sich Raul bitter darüber beklagt, dass unsere Mutter in ihrer Küche immer allerhand Sachen auf die große Gefriertruhe ablegte und man deswegen die Tiefkühlpizzen, von denen wir uns regelmässig um 2 uhr nachts ernährten, erst nach umständlichen Abräumaktionen herausholen und innerhalb weniger Minuten in der Mikrowelle verzehrfertig machen konnte. Vorher kamen aber noch 3-4 Scheiben Käse obendrauf, damit die Pizza auch wirklich schön schleimig war. "Ramonespizza" nannten wir das - nachdem wir die Ramones im Rock'n'Roll High School Film genau solche hatten essen gesehen.

Der Titelheld aus dem Song "Johnny Ritchek" ist übrigens - im Gegensatz zu dem, was uns der Song suggerieren will - alles andere als tot, sondern ein immer wiederkehrender Charakter im schriftstellerischen und filmischen Werk meines Bruders (wer's nicht glaubt, clickt hier!)...

Der Song "Währungsunion" ist inzwischen sogar zu einem Stück deutscher Zeitgeschichte geworden, er entstand irgendwann im Frühjahr 1990, als das Thema deutsch-deutsche Währungsunion groß in den Medien diskutiert wurde und wartet sogar mit Weisheiten auf wie "Der längste Schwanz auf Erden gehört immer noch den Pferden". Na, und ist es so etwa nicht?? Raul singt diese Nummer mit mir im Duett und Mayflower Madam's Matze spielt ein unvergessliches Gast-Gitarrensolo.

Dann gibt's da noch ein paar ganz schnelle, ganz geile deutsche Punkrocksongs, die ich heute als Hommage an die erste Boxhamsters LP ("Der Kommisar" und "Wie ich, wie Würmer, wie Propheten") bzw. an die erste Angeschissen-LP ("Stubenkater") verstehe. Beides Platten, die wir damals ständig und immer hörten...

Nicht vergessen darf ich Jobst, Brunsdorf und Letagius - die sagenumwobene Gesangsgruppe "Die Backpflaumenmänner", die so klangen, als hätte Raul seine eigene Stimme schneller gepitcht und mehrmals aufgenommen. Tja, möchte man meinen...- aber: sind in Wiklichkeit die Backpflaumenmänner!

Interressant finde ich den Hinweis im Textblatt auf den 7-Minuten Remix von "La Gloire", der auf einer Compilation mit unveröffentlichten Raul-B-Seiten erscheinen sollte. Was er nie tat. Weil er wahrscheinlich auch garnicht existiert, oder ? (- na, kommen da Kommentare, Raul??).


Download "Glücklichmensch" (natürlich inkl. Artwork)





The Lost First Tape


Die Werbeanzeige aus "Der Innere Schweinehund" (April 1990) weisst auf ein Mysterium hin, dass die Männer vom Archiv gerad mächtig beschäftigt: vor "Glücklichmensch" ist bereits ein erstes Raul-tape mit dem naheliegenden Titel "Sehen Sie nun einen Film über einen Mann mit einem Tonbandgerät in der Nase" (oder so ähnlich, ihr versteht schon, eine Monthy Python Hommage) erschienen, von dem wir nix mehr wissen. Weder, welche Stücke da drauf waren, noch, wie das Cover aussah... Spurlos verschwunden! Vielleicht taucht es ja auf, wenn ich endlich Rauls alte tapes in die digitale Zeit rübergeholt habe.
Spannend! (für mich, euch dürfte das eigentlich schwer egal sein...).



Recorded dircetly in a squat in the smurfs' hometown we present you: Raul's "Gluecklichmensch". A collection of very charming lofi punk and pop songs recorded almost completely by Raul alone (with a little Help by two Matzes, the famous vocal group "Die Backpflaumenmaenner" and his stupid big brother). Was a smash hit in our little tape mailorder in 1990 which certainly has something to do with the brilliant cover, created by the one and only Rautie...

Mittwoch, 6. Juli 2011

Der Sound echter einstürzender Neubauten



"Abriss" (C-15, KomistA, 1987)


Kultur und Veränderung
- nach diesem Prinzip arbeitet das Label/ der Verlag/ das Kulturprojekt KomistA bis zum heutigen Tage. In den späten Achtzigern waren die Gebrüder Sterneck, die hinter diesem Projekt standen und stehen, so etwas wie das gute (bzw. schlechte) politische Gewissen in der Hanauer Alternativ/Punkszene und massgebende Antriebskräfte bei der Besetzung des "Haus" in der Metzgerstrasse - das autonome Kulturzentrum, das seit
nunmehr 25 Jahre besetzt ist und scheinbar auch bleibt. Zahllose Konzerte unkommerzieller internationaler Bands, die so manches Leben im Publikum nachhaltig veränderten, wurden von KomistA organisiert und vorallem auch dokumentiert. Denn zwischen 1986 und 1992 veröffentlichte KomistA eine ganze Reihe unkonventioneller tapes, teilweise mit Livemitschnitten aus der Metzgerstrasse (etwa Alice Donut, Soulside, Spermbirds oder Culture Shock), teilweise mit (damals, in den grauen prä-Internet-Zeiten) nur schwer erhältlichen Aufnahmen wie etwa Kurt Schwitters Anna Blume oder interessante Compilations wie z.B. diese hier.

Besser und ausführlicher, als ich das überhaupt könnte, kann man die Geschichte von KomistA-tapes bei den Erzeugern selbst nachlesen:
"Die Veröffentlichung der KomistA-Tapes fiel in die Zeit von 1986 bis 1992. Kassetten von politischen Musikgruppen unterschiedlicher Stilrichtungen standen dabei neben skurrilen Geräuschaufnahmen und einigen Dokumentationen"


Abriss

Zu den "skurrilen Geräuschaufnahmen" muss man wohl besonders das heute vorgestellte tape "Abriss" zählen: ABRISS : Aufnahmen eines Einkaufs in einem Supermarkt und des Abrisses eines Gebäudes. Handgemachtes Cover von Robert Piesenecker aus Schmirgelpapier.

Bisher auch für mich nur Mythos, fand ich dieses tape doch letztens - auf der Suche nach verschollenen schweinehundtapes - in einer alten Cassettenkiste von Rautie!
Leider ist das Audiomaterial aber eigentlich ziemlicher Scheissdreck.
Na gut, field recordings, eine schlechte, verrauschte Kassettenrecorder-Aufnahme eines Haus-Abriss über anderthalb Seiten und eine halbe Seite mit dem Kassettenrecorder im Einkaufswagen durch einen Supermarkt....

Nichtsdestotrotz ist dieses tape auch ein wunderbares Beispiel dafür, daß damals in der goldenen Kassetten-Zeit kein Projekt zu unkommerziell oder unkonventionell war, um wenigstens auf einem rührigen Label wie KomistA eine Veröffentlichung zu erfahren.
Und das schöne Schleifpapiercover von Robert Piesenecker macht es bis heute zu einem Undergroundschmuckstück besonderer Güteklasse. Musste ja nicht hören - sieht aber geil im Regal aus!

Das war sicherlich nicht die primäre Intention für die Veröffentlichung dieser Kassette (das waren sicher Konsumkritik und die reizvolle Gelegenheit, den Sound echter einstürzender Neubauten auf Magnetband bannen zu können), sollte aber 24 Jahre später auch nicht als Nebensache vernachlässigt werden.



"Fremde Stimmen, schreiend"

Das erste KomistA-tape, das ich selbst je zu hören bekam, hieß "Fremde Stimmen, schreiend" und enthielt Aufnahmen früher Hanauer Punkbands (remember "Die Ärsche"?) und etliche befremdliche Soundcollagen.
KomistA schreibt darüber: "Erste "offizielle" KomistA-Veröffentlichung von 1986. Ein Mix von eingängigen Anti-Pop-Stücken über poetische Geräuschaufnahmen und Absurde Musik bis zum gefühlsechten Hardore-Punk. Mit Bakunin, Die Vergessenen, Mathe ohne Müller, Pogozei, Schulcore, Seelische Zwangsjacke, Tibo Leone, Wäscht noch Weißer (Porentief), Zwei Gestrige,...".

Hat mich mit dieser "Alles ist möglich"-Haltung wahrscheinlich mehr beeinflusst als mir damals klar war und zählt gewiss zu den Faktoren, die mich wenige Jahre später selbst anfing ließen, tapes zu veröffentlichen... Leider finde ich dieses Compilation aber im Moment nicht im (wohl doch nicht an allen Stellen wohlsortiertem) Archiv. Auch deshalb stellvertretend das "Abriss"-tape für all die guten Inputs, die ich (wir/ihr) damals von KomistA bekamen. Kultur und Veränderung halt - und da hat sich seitdem einiges getan!



Download "Abriss"


A short tape from the legendary KomistA tapelabel from Hanau/Maintal, that released some very interesting tapes in the late 8oies and early 9oies - for example live tapes of HC Bands
that played in the squatted ’autonomous culture-center’ in Hanau Metzgerstrasse (like Alice Donut, Soulside, Spermbirds or Culture Shock), historical recordings like Kurt Schwitters' "Anna Blume" or strange audio documents like this one: the sound of the demolition of an old building (a real einstuerzender Neubau, so to speak). In the days of portable digital recorders the quality of this recording must be considered as really, really bad - but that tape is also a nice example for a typical unconventional and non-commercial audio release in the golden age of tonbandkassette. Would rather like to post the highly influencial first KomistA tape-compilation "Fremde Stimmen schreiend" though but haven't got it anymore (or can not find it)...