Sonntag, 25. Mai 2008

"Gestern noch schlechter Punk, heute schon Legende"


Heute beginne ich endlich mal die Kolumne, die mir schon länger am Herzen liegt - eine Topographie der Spät-Achtziger Hanau Punk-Szene, in der ich und meine Leute aufgewachsen sind... Unter dem Titel "HU Punk History" werde ich nun hin und wieder in die tapekiste greifen und eine von den Kassetten rausfischen, mit denen ich musikalisch nichts zu tun hatte - die aber zur selben Zeit im selben sozialen Umfeld entstanden sind wie mein eigenes schweinehund-KIX-Imperium. Den Anfang soll dabei ein tape machen, von dem ich fast sicher bin, daß es auch überregional für Interesse sorgen wird:


Die Schwiegersöhne: "Davon abgesehen" 1988-1990
(C-60, 1991, Privatveröffentlichung, remastered 2008)


Ja, hier handelt es sich um die einzige veröffentlichte Kassette der Hanauer Punkband, in der Linus Volkmann Sänger und Texter war.
Volkmann ist heute freier Autor und Redakteur beim Musikpropaganda-Magazin "INTRO" und außerdem ein Teil des Elektropopduos "Bum Khun Cha Youth".
Lange aber, bevor es uns Schlümpfe alle mehr oder weniger weit in die große Welt hinausgetrieben hat, waren er und Die Schwiegersöhne fester Bestandteil unseres provinziellen Punkrock-Universums "Hanau und Umland". Das für uns alle irgendwann Mitte der Achtziger begann, als in der damaligen Hauptstadt des kulturellen Hippietums endlich - bloß 15 Jahre verspätet - auch mal Punk vorbeischaute. Lange vor Internet und globaler Information, noch auf handgenähte Fanzines und Mund-zu-Mund-Empfehlungen angewiesen, entwickelte sich ganz langsam eine "lokale Szene". Plötzlich gab es ein besetztes Haus in der Metzgerstraße, ein regelmässiges internationales Liveprogramm mit hippen Bands direkt im Hanauer Kulturbasar (Höhepunkte z.B. My Bloody Valentine 1988 und Nirvana 1989) und dann war es auch schon geschehen: allerhand Jugendliche begannen, ihre Jugend in komischen Bands zu verschwenden.

Den Schwiegersöhnen eilte ein Ruf voraus, der - heruntergerechnet auf das Verhältnis "Die-ganze-Welt zu Hanau" ungefähr dem der Sex Pistols entsprach! Sie trugen uniforme blaue Bomberjacken mit aufgesprühtem, gelbem Bandschriftzug und polarisierten damit die Leute wie eine Rockerbande (ich selbst wurde als Zivildienstleistender Zeuge, wie ganze Dorfgangs Pläne schmiedeten, der gesamten Band aus Maul zu hauen).
Das beste an ihnen aber war: sie waren wirklich Punk, d.h. sie konnten (anfangs) überhaupt nicht spielen, taten das aber trotzdem. Mit einer beherzten Großmäuligkeit und Songs mit Titeln wie "Amnestie für Polizistenmörder", "Sex mit Toten" oder eine Ich-will-Spaß-Coverversion mit dem Refrain "Skinhead, Skinhead hörst du mich, deine Freundin vögel ich"...Was sonst kann man von seiner örtlichen Punkband verlangen?

Dabei findet sich in diesen Stücken - wie bei Frühwerken gern mal üblich - bereits rudimentär alles angelegt, was sich an selbstreflektiven und -kritischen Humor heute auch in Volkmann's tollen Romanen (check hier oder hier) und in seinen Bum Khun Cha Youth -Texten tummelt.
Natürlich ist das auch noch durchsetzt mit Abiturienten-Proll-Humor (wir waren doch alle noch soooo jung!.) und von der damals bei Punkers obligaten politischen Korrektness.
Wenn die sich mit den Jahrzehnten auch bei manchen etwas relativiert haben mag (fleischessen find ich geil), ist doch eine gewisse Grundhaltung zu den Dingen - wie sie sind und sein könnten - zurückgeblieben. Für immer und immer.
Deswegen darf es kein Wunder sein, daß diese Aufnahmen von mir höchstselbst sanft digital aufbereitet und remastert wurden, um euch die bestmöglichste Soundqualität gleich mitzuschenken. Sei es vielleicht für manchen nur aus historischen oder kuriosen Gründen: diese Aufnahmen müssen gehört werden! Auf die herrlich aufschlußreichen Anekdoten im Booklet sei da nochmal extra verwiesen (welches natürlich als pdf dem Download beiliegt...)

mediafire



Die Schwiegersöhne: Alkoholiker

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