Freitag, 21. Oktober 2011

"Links sind Bäume, rechts sind Bäume und dazwischen Zwischenräume"


Nirwana Zimbo & Kozi Arbeiterkind -
"Lieder aus Hass" (1989, C-35, No Label)



So, jetzt geht's wieder mal weit zurück in die Achtziger, wie es ja auf diesem blog immer mal passieren kann (vergl. die Warnung auf der rechten Seite!).

Dieses hier ist ein fehlendes Stück des Puzzles, das uns vielleicht irgendwann mal die komische
Schlager-Punkwave-Musik der legendären KAKTUXXE genauer erklären kann. Hinter dem lustigen Bandprojektnamen Nirwana Zimbo & Kozi Arbeiterkind verbargen sich nämlich Manutchehr und Pepi, künftiger Kaktuxxe-Sänger bzw. Leadgitarrist, die mit dieser Kassette eine Sammlung ihrer besten 4-Spuraufnahmen aus den späten 80-gern präsentierten.

Viel von dem morbiden, absurden und oftmals menschenverachtenden Humor, der die KAKTUXXE zu dem machte, was sie waren (nämlich schräge Typen, die niemand verstand und von denen man nicht genau wusste, was man von ihnen eigentlich halten soll), wurde hier schon vorweggenommen. Songtitel wie "Von innen verfault", "Driftje
gas" oder "Zyklon B" deuten an, dass hier nicht vom Leben als Ponyhof die Rede ist sondern eher: vom Leben als Pferdeabdeckerei.
Düstere Endzeitszenarien - so haben wir unsere Achtziger doch immer geliebt, die gute alte Zeit, wo jeden Tag der Atomkrieg hätte stattfinden können...

Überhaupt, diese alles durchdringende Ironie! Wo man nicht weiss, was stimmt, was ist übertrieben, was ist glatt gelogen?? Lesen wir zum Besipiel mal in den biografischen Texten im Booklet:


Nirwana Zimbo



Nirwa
na : 1970 in deutschland als sohn ausländischer eltern geboren, trägt er schon seit seinen frühen jahren ein unbeschreibliches gefühl in der brust: den schrei, das verlangen nach gerechtigkeit. schon damals begann er seinem lebensziel ausdruck zu verleihen in dem er in kapellen und experimenten mitarbeitete.(...) lieder aus hass, der titel des tonträgers, entspricht den lebensgefühlen, den zielen, den hoffnungen verzweifelter... (aus dem Booklet)


Kozi Arbeiterkind


Kozi:
ebenfalls im jahre 1970 in kananda während der dortigen wirtschaftskrise auf dieses scheisswelt gekommen - und auch noch als sohn slowakischer einwanderer - stand kozis leben schon unter einem schlechten stern. sein aufwachsen in deutschland in diversen hessischen käffern in einem frauenhaus und in der hanauer weststadt brachte ihn schon früh mit typischen erscheinungen kapitalistischer gesellschaften in kontakt: gewalt, verbrechen, ungerechtigkeit. von diesen erfahrungen geprägt, wurde kozi zu einem verschlossenen jungen menschen... (aus dem Booklet)




Schweinehundtapes-Kennern dürfte der "Umweltholocaust" vielleicht ein Begriff sein, das einzige Stück, das Zimbo & Arbeiterkind je auf schweinehundtapes
veröffentlicht haben (nämlich auf dem ersten "inneren tapesampler"), eine bittersüss-dämliche Abrechnung mit den friedensbewegten Althippiecliquen, die (besonders in Hanau) mit ihren Althippie-Thesen und ihrer Althippie-Rethorik (und diesen Fusselbärten - vorallem die Frauen!) jeden Ansatz ökologischen Denkens zu einer nervig-pathetischen Angelegenheit machten, auf die neunzehnjährige Gymnasiastenpunker wie wir nur mit Spott und beissender Ironie antworten konnten ("Dieses Lied ist all denen gewidmet, die sich täglich um eine neue, eine bessere Welt bemühen, all den wackeren Kämpfern, allen, wirklich allen...").


Bemerkenswert im KAKTUXXE-Kontext sind die Titel "Falsche Zungen" und "Kufte Dajus", beides nämlich frühe Versionen von Stücken, mit denen besagte Band einige Jahre (so gut wie) weltberühmt wurde: "Falsche Zungen" auf dem ersten Demotape (hier) und noch ein paar Jahre später als "False Tongues" auf dem Debütalbum (hier). "Kufte Dajus" ist die persische (!) Orginalversion von "Kufte", eine Nummer die sowohl auf der Debüt-Single (hier) wie auch als "The Reason why" auf dem Album (hier) zu finden ist...

Und auch der Hang zu Schlager- und Kindermelodien, der oftmals zur Verwirrung hartgesottener Hardcorepunker auf KAKTUXXE-Konzerten führte, ist hier mit dem "Elefantenlied" oder der "Ballade mit Klavier" schon vorweggenommen, offenbar haben damals manche Musiker mehr Roland Kaiser gehört, als sie heute je zugeben würden!!
Sehr süffisant verweise ich dann auch noch auf die "Erdbeerwoche", ein Stück, das erstens Zeugniss davon gibt, dass auch HipHop seinerzeit auf der Interessenliste von Zimbo & Arbeiterkind stand und andererseits einen dermassen pubertär-sexistischen Inhalt hat (zum Thema Menstruation und Ficken nämlich), dass es den Akteuren heute monatsblutrote Schamesröte ins Gesicht treiben sollte ("...ich denke an das eine nur // doch da spüre ich die grüne Schnur. // Bevor ich zwischen die Schenkel greife // frag ich nach der Eierreife"). Tja, spätestens im Fegefeuer oder aber auf dem unpop-blog kommen die Verfehlung der Jugend ans Licht. So ist das nunmal.

HARDCORE & EXZESS
In diesem Sinne sollte auch noch
auf Hardcore & Exzess verwiesen werden - eine rauhe Liveaufnahme von 1986, aufgenommen in einem Londoner Untergrundclub (- obwohl die Stimmen mancher Experten nicht verstummen wollen, die besagen, diese Aufnahmen seien eher in einem Keller in Hanau-Kesselstadt im Jahre 1988 entstanden). Hardcore & Exzess spielten "depressiv kore" und prügelten sich durch derbe 30 Sekunden-bis-Eine-Minute-Stücke. Kozi "Pepi" Arbeiterkind trommelte dort und Nirwana "Manutchehr" Zimbo sang und spielte den Bass.



Robbs Runner


Unterstützt wurden sie dabei von einem gewissen Robbs Runner, der sich unter dem absurden Pseudonym "Mica W." in der Urformation der Kacktusse Punk? auch als Sänger betätigte. Das Booklet sagt über diese Aufnahmen: "...die musik passt, wie wir meinen, gut auf das täpe, denn es ist Musik wie die beiden (Zimbo & Arbeiterkind) - rauh ungeschminkt und lässt den hörer am strassenleben, dem in u-bahn schachten schlafenden, dahinvegetierenden dasein teilnehmen."

Sehr gut, denn das ist genau das, was wir zu jeder Tageszeit gerne hören, nicht wahr?


Als ich diese Songs vor 21 Jahren zum ersten Mal zu hören bekam, fand ich es bereits damals erstaunlich, wie sehr Haltung (und die technischen Fähigkeiten) hinter dieser Musik dem ähnelte, was ich und mein Bruder Raul als Asozialsky und Hatsch auch machten. Das schrie geradezu nach einer Fusionierung, wie sie dann ein Jahr später, als wir dann alle gemeinsam bei den KAKTUXXEn spielten - auch stattfand.

Noch aber ging es den Akteuren darum, ihre Eigenständigkeit zu behaupten.
Kann man in dem schönen Zusatz bei der Kontakt/Bezugsadresse im Booklet nachlesen: "das tapes hat nix mit den kaukes zu tun aber die adresse ist o.k., denn die haben wohl sowas wie'n tapeversand..."

In eben diesem schweinehundtapes-Versand gab's dieses tape 1990 mal in einer beschränkte Stückzahl von maximal 10 Stück (wahrscheinlich sogar weniger) zu kaufen, seitdem ist es nie wieder veröffentlicht worden...

Aber: unpop-blog never forgets.

Und deshalb: viel Spass mit
...
Nirwana Zimbo & Kozi Arbeiterkind - "Lieder aus Hass"

Download (inkl. dem umfangreichen booklet als pdf) hier!


01. Von innen verfault

02. Driftjegas
03. Don't let us die
04. Umweltholocaust
05. Erdbeerwoche
06. Falsche Zungen

07. Zyklon B
08. Elefantenlied (Wo die großen Elefanten spazieren gehen)

09. Ballade mit Klavier
10. Skined schrein
11. Kufte Dajus

12. Värquärr
13. Hardcore & Exzess (live in London 1986)


A rare tape from 1989 with a collection of obscure 4-track recordings by Nirwana Zimbo & Kozi Arbeiterkind, two guys later becoming members in the legendary KAKTUXXE. Dark'n'dirty Hanau-homerecording-hardcorepunk and strange ballads and schlagers. Plus some rough live recordings by "Hardcore & Exzess" live in London (or was it?) 1986. This tape has something to offer for everybody : experts will be glad to hear rudimentary early versions of some Kaktuxxe songs (like "False Tongues" or "The Reason why"), others will be very ashamed (because they actually recorded that stuff) - and the rest can simply not give a shit (or even a fuck). Anyway - this is rare and deleted stuff, not heard for more than 20 years and now it's here again.


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